Dienstag, 25. August 2009

Das Haus – Das Projekt

Wir sind nun völlig angekommen. Vor einer Woche haben wir drei unsere neue Wohnung in Quilmes (ein Stadtteil von Gran Buenos Aires) bezogen. Mit mir zusammen wohnen noch Mateo – ein Freiwilliger der ebenfalls in der Villa arbeitet – und Christoph, der seinen Freiwilligendienst in einem Kindergarten für benachteiligte Kinder leistet.

In der ersten Woche hatten wir allein an unserem kleinen Häuschen viel zu tun. Unsere Vormieter haben uns einige nützliche Dinge, aber auch viel Müll dagelassen. Wir haben also viel umgestellt, aufgeräumt und ausgemistet. In den kommenden Tagen wollen wir unseren Innenhof streichen und den Wänden im Haus kreativ Farbe verleihen. Die Wohnung ist bescheiden, aber wir richten uns gut ein. Der absolute Luxus ist allerdings unsere riesige Dachterrasse. Wir freuen uns auf die Sommertage, die wir nicht im Haus verbringen müssen.
Unsere ersten Anschaffungen waren ein großes Sofa (für 10€ !), der obligatorische Maté und eine Wasserpfeife für die Gemütlichkeit.

Das Internet hat lange auf sich warten lassen. Jetzt haben wir es doch und wir sind stolz den ersten Akt mit den argentinischen Kundencentern erfolgreich hinter uns gebracht zu haben. Immerhin haben wir bekommen, was wir wollten.

Seit der letzten Woche arbeiten wir auch in unseren Projekten. Der Start in meinem Projekt war sehr ruhig und entspannt. Unsere Chefs nehmen große Rücksicht darauf, dass wir nicht einfach in die Arbeit geschleudert werden, sondern dass wir Zeit haben uns langsam einzuarbeiten.
Ich arbeite ab jetzt jeden Morgen in der Villa (Elendsviertel) in einer Art Nachhilfeschule für die Kinder des Viertels.
Ich habe bereits etwas über ein Armutsviertel geschrieben, das wir besucht haben. Die Villa in der ich arbeite setzt da jetzt nochmal eine Schüppe drauf. Hier gibt es wirklich gar nichts an Grundversorgung. Die Abwässer fließen durch die Straßen, die Cartoneropferde stehen im tiefen Müll und eine Familie mit fünf Kindern wohnt in einem Raum von vielleicht 4x4 Metern. Die Menschen dort leben ständig in den Müllfeuern, in denen wer weiß was brennt und die Luft verpestet. In diesem Viertel leben 50.000 Menschen und mindestens genauso viele Hunde. Damit ist die Villa Itatí das größte Elendsviertel von Buenos Aires. Ich werde noch jeden Tag von der Bushaltestelle abgeholt und auch wieder zurückbegleitet. Ohne einen Jugendlichen aus dem Viertel ist der Weg für Unbekannte zu gefährlich. Wenn man die Menschen kennenlernt, wie ich das in der letzten Woche oberflächlich konnte, sind alle ganz herzliche und offene Persönlichkeiten.
An meinem zweiten Tag habe ich mich schon wohl gefühlt und hoffe, dass es so weiter geht. Die Kinder in meinem Projekt lechzen förmlich nach Aufmerksamkeit und einer Bezugsperson.

In der ersten Woche habe ich bereits in der Villa viel erlebt. Diesen Ort kann man sich nicht vorstellen. Ich bin mir sicher, dass ich von dort noch viel zu erzählen haben werde.

Die drei beeindruckensten Momente meiner ersten Woche sind:

Ein kleines Mädchen kommt im Projekt auf mich zu und reicht mir ihr Hausaufgabenheft, damit ich die Aufgaben kontrolliere. Ich schlage das Heft auf und mir fällt eine geklaute Mastercard in die Hand.

Wir gehen zusammen mit den Kindern zu einer Wiese, wo wir Fußball spielen wollen. Am Straßenrand liegt ein Hund, der anstatt eines Beines nur noch abgenagte Knochen hat.

Ich spiele mit dem jüngsten Jungen (5) aus meinem Projekt, der in meiner Anwesenheit noch kein Wort gesprochen hat und – nach dem was mir die Betreuerinnen gesagt haben - auch nie spricht. Wir toben auf der Wiese und – er lacht! Ab jetzt redet er mit mir.

Dienstag, 4. August 2009


Gott und die Welt

Viele Situationen, die ich in den letzten Tagen erlebt habe, Dinge, Menschen und vor allem die Lage, in der sie sich befinden, haben mich sehr nachdenklich gemacht.
Mir wurde auf eindrückliche Weise klar, (ich wurde eher bestätigt) dass wirklich nur wir Menschen über Glück und Leid auf der Erde entscheiden. Es liegt in unserer Hand, wie viel Leid und Armut es in dieser - unserer - Welt gibt.
Es kann keinen Gott geben, der für alle Menschen der "Retter" oder "Beschützer" ist. Manche Menschen haben diesen Beschützer früh bekommen, die meisten nicht!
"Gott wird alles zum Guten wenden" ist einer dieser Sprüche, die mir im Angesicht der Menschen und Kinder in den Elendsvierteln wie Spott vorkommen. Es kann nicht im Geiste eines Gottes sein, Kinder in dieser Welt aufwachsen, Meschen unter diesen Umständen sterben zu lassen.

Ein alter blinder Mann ist gestern durch unseren Zug gelaufen und hat in jedem Abteil Gitarre gespielt. Ich hörte ihm zu und sah vor den Fenstern rechts die Polo- und Tennisanlagen, links die Baracken und Schlammstraßen der Armutsviertel vorbeiziehen. Ein kleiner Junge, vielleicht 5 oder 6 Jahre alt stieg in unser Abteil und bettelte die Passagiere nach Monedas und Wasser an.
Dieses Bild, der alte erblindete Mann, genauso hilflos, wie der 5-jährige Junge neben sich, ganz auf sich gestellt war ein sehr niederschmetternder Eindruck.
So hier gibt es mal die ersten Bilder um die Ohren.

Ich denke sie erklären sich von selbst. Die ersten Bilder, die ich reinstelle sind noch sehr touristisch, weil ich mich noch nicht getraut habe an unbeobachteten und ärmlicheren Plätzen Fotos zu machen, beziehungsweise meine Kamera auszupacken.

Mit den Bildern, die folgen werde ich versuchen euch die Situation der Menschen, mit denen ich arbeiten werde zu verdeutlichen.

Der Obelisk unten im Bild markiert die Stelle an der 1816 zum ersten Mal die argentinische Flagge gehisset wurde.