Mittwoch, 30. September 2009

Hier habe ich noch ein paar Bilder:


Der Nachhilferaum, in dem wir mit den Kindern arbeiten.
Der Vater unserer Chefin hatte Geburtstag und wir durften ihre Hundearmee kennen lernen. Ihr Doberman - mit den Ausmaßen eines Kalbs sicherlich der größte Hund des ganzen Viertels - ist er auch der größte Schisser des Viertels und versteckt sich deshalb gerade in irgendeiner Ecke.

Mein Mitbewohner Christoph an seinem Geburtstag mit einem Haufen selbstgemachter leckerer Empanadas.:)
Und das bin ich, wie ich an meinem Blog grübel.



Alltag


Lange habe ich nichts geschrieben.
Die letzte Zeit, war alles andere als einfach. Zwei schwierige Wochen liegen hinter mir. Ich hatte sehr mit mir zu kämpfen und damit, mich jeden Tag neu zu motivieren. Der Gang ins Projekt ist mir sehr schwer gefallen. Ich habe stark an dem Sinn meiner Aufgabe für mich und für die Menschen hier gezweifelt. 8 Nächte habe ich auf dem Sofa verbacht. Unruhig - unausgeglichen - geschafft. Ich war selbst nach langer Vorbereitung nicht darauf vorbereitet, wie stark man Menschen, die einem sehr viel bedeuten, in bestimmten Situationen des Lebens vermissen kann. So sehr, dass es schmerzt.
Zudem hat sich langsam ein geregelter Alltag in Quilmes eingerichtet. Ich weiß, wann ich, wann meine Mitbewohner nach hause kommen und wann wer wieder geht. Ich kenne alle Namen der Jungen und Mädchen in meinem Projekt mit dazugehörigen Verhaltensschwierig- und Leichtigkeiten. Jeden Tag gehe ich den bekannten Weg und kann schon fast die Straßen, die mein Colectivo (Bus) nimmt auswendig.
Sich in einem neuen Alltag, so fremd von dem Bekannten einzuleben und sich einen Platz zu schaffen ist unglaublich schwierig. Der "Adrenalinschock" der Umstellung ist vergangen und hat für einen ordentlichen "Kulturschock" gesorgt. Ich habe mir dieses Jahr im Ausland sehr gewünscht und genauso ausgesucht. Was das bedeutet wurde mir erst hier klar. Jetzt musste ich mich neu damit anfreunden und wir zwei haben uns nach langer Zickerei wieder angenähert.

In solchen Tiefphasen ist es sehr angenehm Mitbewohner zu haben, die sich gut um einen kümmern. Da bekommt man mal einen heißen Maté gereicht oder man bekommt eine ablenkende Aufgabe um die Ohren gehauen. Die Frage "Na? - Wie gehts dir?" reicht jedoch meistens um ein paar Steine beiseite zu räumen.
Letzte Woche, habe ich mit einem Mädchen aus meinem Projekt in unserem Hinterhof gesessen und über das Leben geredet. Sie wirkte sehr traurig, ich fragte sie, woher sie ursprünglich komme und sie meinte aus dem Chaco (Eine Provinz im Norden).
Sie sagte dann: "Ich lebe jetzt seit einem Jahr hier und vermisse meine Schwester unheimlich. Die ist mit meinem Vater im Chaco geblieben. Aber du kennst das ja sicher. Das ist genauso, wie wenn du nach Argentinien kommst und die Menschen, die du liebst in Deutschland lässt. Das ist auch schwer für dich."
Das genau in dem Moment, in dem ich besonders niedergeschlagen war, von einem 7-jährigen Mädchen so treffend gesagt zu bekommen, hat mich sehr bewegt.
Wir haben lange dort gesessen und erzählt. Es war ein wunderbarer Tag mit Sonnenschein und der ersten Wärme des Frühlings. Für solche Momente ist im Alltag des Apoyo leider nicht viel Platz. In der Regel ist es sehr wild und man kann kaum alle Fragen und Hilferufe der Kleinen bedienen. Man merkt jedoch, dass viele der Kinder ein dringendes Bedürfniss haben, sich einmal mit einer Vertrauensperson in Ruhe zu unterhalten. Ich habe mir vorgenommen, öfter diese Möglichkeit zu nutzen.
Als Nachhilfelehrer mache ich langsam Fortschritte. Die Sprachbarriere hindert mich zwar noch daran, den älteren Schülern komplexe Sachverhalte zu erklären, aber ich komme langsam mit immer größeren Gruppen zurecht.

Heute hatten wir eine Art "Elternabend". Es sollte eigentlich ein Treffen zwischen den Profesores und den Eltern der Kinder werden, die in den Apoyo kommen. Von 24 Elternpaaren war eine Mutter gekommen! Sonst niemand. Die anderen hatten wichtigeres zu tun oder - wie ich gehört habe ist das fast immer der Fall - interessieren sich nicht für die Schulausbildung ihrer Kinder. Sie sehen den Nachhilfeort als eine bequeme Weise, die Kinder ein paar Stunden versorgt zu haben.

Alles in allem geht es mir aber wieder gut. Ich muss keine Angst haben, mit meinen Sorgen und Problemen zu meinen Mitarbeitern oder meinen Chefs zu gehen. Die nehmen uns alle sehr ernst und herzlich auf und kümmern sich gut.
Sie haben mir auch in den letzten Tagen das Gefühl gegeben, eine große Hilfe zu sein und den Sinn an der Arbeit hier wieder zu finden.

Freitag, 4. September 2009

"

Irgendwann verrinnt eine Träne, wie ein Stern leuchtet sie auf, ich will niemanden, der sie fortwischt, sondern möchte in der Sahara damit neue Pflanzen tränken.

Ich möchte erleben um jemand zu sein. Ich möchte lieben um jemand zu sein. Ich möchte reisen um jemand zu sein.

Solange ich das alles tue kann ich von mir sagen, dass ich lebe. Und es ist ein Leben voller Farben, Vielseitigkeit und Abwechselung. Deshalb segle ich fort, ohne Anker an Bord..."

Aus "Spiegel der Zeit" von Julius Camillo Fastabend, 2008, Freiwilliger in Chile




Die Freuden des Lebens kommen bei uns auch nicht zu kurz: Die Bilder zeigen meine Mitbewohner Christoph, Mateo und den Vater der Gastfamilie der benachbarten Volontäre beim Grillen auf Mateos Geburtstagsfeier. Da haben wir unsere Dachterrasse eingeweiht. Das Fleisch ist der Hammer. Nach argentinischer Grillart muss da nur noch Salz drauf und es schmeckt köstlich. Da muss nix an Ketchup oder Soße dran.

Donnerstag, 3. September 2009


Der Río de la Plata - Wenig Silber, viel Müll


Diese zwei Fotos hat mein Mitbewohner Christoph in der letzten Woche gemacht. Wir hatten einen ruhigen und entspannten Sonntag und sind für einen Spaziergang an den "Río de Quilmes" gefahren. So heißt der Abschnitt des Río de la Plata, an dem unser Stadtteil Quilmes liegt. Ich würde diesen Fluss bereits das Meer nennen. Immerhin ist er knappe 40 km breit. Die Argentinier sind allerdings stolz darauf, ihn den breitesten Fluss der Welt nennen zu dürfen. Unser Eindruck allerdings ist, dass er auch einer der verdrecktesten Flüsse der Welt ist. Wirklich schade, da die Landschaft an sich alles bietet, was ein schöner Strand braucht: Super flaches ruhiges Wasser, viel Platz am Strand und eine belebte Strandpromenade. Baden ist allerdings fast unmöglich. Das Wasser zu trinken grenzt an Selbstzerstörung.

Aber Schluss mit der Schwarzmalerei: Natürlich hat dieser Teil der Stadt auch seine guten Seiten. Die Strandpromenade und die Stegs des Flusses sind gesäumt von Bars, Restaurants und Ausgehmöglichkeiten jeder Art. Nach den Einheimischen spielt sich ein Sommerabend in Quilmes fast immer am Fluss ab.
Nett!
Das Wetter lässt uns diese Woche allerdings etwas im Stich. Nach einer Woche mit fast 30 Grad (im Winter) hat sich das Klima mit viel Regen wieder abgekühlt. Deshalb hatte ich auch Montag und heute frei, weil bei Regen die Erdstraßen der Villa aufgeweicht und zu matschig werden. Die Kinder kommen bei starkem Regen nicht in die Schule.

Während mein Verhältnis zu den Kindern im Apoyo Escolar (Nachhilfe) immer besser wird, wurde die Villa in der vergangenen Woche für uns drei Freiwillige jeden Tag etwas bedrohlicher. Wir kennen jetzt den Weg und die Straßen zu unserem Projekt. Nachdem wir in den ersten Tagen ausschließlich darauf geachtet haben, wo wir hintreten, haben wir in den letzten Tagen unseren Blick heben können, um die Umgebung beim Durchqueren der Villa genauer zu betrachten. Je genauer man hinsieht, desto krasser überflutet einen die Armut und offensichtliche Not, in der die Menschen leben. Zudem habe ich versucht, diese Woche zum ersten Mal allein - ohne Begleitung eines Mitarbeiters - von der Bushaltestelle zum Projekt zu gehen. Es war knapp! Ich bin mir sicher, dass ich nur nicht in eine gefährliche Situation gekommen bin, weil mir meine Mitarbeiterin doch nochmal entgegen gegangen ist. Sie kam mir wie eine Rettungsinsel vor.

Ich konnte noch keine Fotos in der Villa machen. Dies ist eines der wenigen Fotos, die ich finden konnte. Es zeigt eine der wenigen breiteren Straßen der Villa. Häufiger sind enge Gassen.