Freitag, 20. November 2009





ASADO - Grillen auf argentinisch
Eine Sache, um die man in Argentinien nicht herum kommt, ist das Grillen - Das "Asado" machen.

Wenn man in Deutschland stolz ein Steak auf den Grill legt, das nicht mal einen Kilo schwer ist und nach 10 Minuten Holzkohle-Grillen schon fertig ist, erscheint das im Vergleich zum argentinischen Asado wie ein kleiner Nachtisch.
Hier wird jede Woche mindestens einmal gegrillt. Wenn man jemanden zu sich nach hause einlädt, ist klar was gemacht wird. Asado ist mehr als einfaches Warmmachen von Fleisch. Es ist immer ein kleines Fest mit guten Freunden und Bekannten.
Nach fast 4 Monaten in Argentinien hat jeder von uns Freiwilligen bestimmt 4 Kühe gegessen. Der "Asador" der "Griller", ist immer der Held des Abends. Vor zwei Wochen waren wir Jungs aus Quilmes in Baradero zu Besuch. Dort wohnt einer unserer Mitfreiwilligen in einem sehr ländlichen Projekt. Wiesen und Felder soweit das Auge reicht. Für uns "Städter" aus Buenos Aires fast schon ein ungewohntes Bild.

In Baradero haben wir dann unsere hart antrainierten Asadomanieren ausgepackt und auf einem Eukalyptusholzfeuer (Die Bäume stehen da ja so rum) unser Fleisch gebraten. Dieses Mal brauchten wir nicht mal Salz. Nichts! Das Eukalyptusholz hatte dem Fleisch nach fast 3 Stunden Grillen einen unglaublichen Geschmack verliehen.

Mir hing das Asadofleisch fast schon zu den Ohren raus, aber nach diesem Wochenende habe ich wieder Hunger bekommen.

Dienstag, 10. November 2009

Das Projekt



Die Meinerzhagener Zeitung wird in den nächsten Tagen meinen ersten Rundbrief abdrucken. (siehe unten)
Dafür brauchte ich Fotos von meinem Projekt und habe mich deshalb einmal überwunden, die Kamera mit in die Villa zu nehmen. So kann ich euch jetzt auch mehr Fotos von meinem Arbeitsleben zeigen und vor allem, wie süß meine "Pibes" (herzlich für "Kinder") sind.




Der Blick aus der Tür meines Projektes. Links ein Cartonero-Pferd, das sich tagsüber von der nächtlichen Arbeit ausruht.
Das ist der Nachhilfeort, in dem ich jeden Morgen arbeite.

Nach dem Lernen gibt es Brot und Tee in der Pause.
Meine Kids
Mit der kleinen Y. bei den verhassten Matheaufgaben.

"Centro Educativo Popular Eduardo Mignona" heißt unser Nachhilfeort.
Betty und Sandra meine Mit-Profesoras beim Teekochen.
Nochmal die Kids.
Die "Organisatoren" der sozialen Projekte der Villa sind die Nonnen und Mönche der Franziskaner und Salezianer. Ruby, Cecilia und Coco. (vorne von l. nach r.)
Die Villa von einer Brücke fotografiert.

Mittwoch, 4. November 2009

Jojo im Botschaftsgarten


Mein Tag - 16 Stunden im Leben eines Freiwilligen


Gestern war ein sehr aufregender Tag. Ich bin wie immer um 8 Uhr aufgestanden und habe mich auf den Weg zum Apoyo gemacht. Dort habe ich den Morgen mit den Kids verbracht und die meiste Zeit rumgetobt. Die Kinder werden immer offener und freier im Umgang mit mir. Ich werde immer gelassener im Umgang mit ihnen.
Direkt nach dem Apoyo bin ich um 12 Uhr nach Capital – also in die Innenstadt – gefahren, weil ich seit dieser Woche in der Redaktion der „Vida Abundante“ arbeite. (Gemeindezeitung für die evangelischen Gemeinden in Uruguay, Paraguay und Argentinien.)
Einmal pro Woche fahre ich jetzt in die Redaktion und helfe bei der Erarbeitung der deutschsprachigen Beilage. Ich glaube ich werde durch diese Arbeit sehr gut zwei verschiedene Seiten der argentinischen Gesellschaft kennen lernen. Die meiner Villa-Arbeit und die Menschen, die im Zentrum arbeiten und leben.
(Die große Freude: an meinem Arbeitsplatz habe ich einen Pc, Telefon, Scanner, Drucker etc.)
Nach meiner Einführung in der Redaktion kam das Highlight des Tages. Wir wurden in die deutsche Botschaft eingeladen. Auf ein schönes kaltes deutsches Bier und Brezeln mit den Toten Hosen. Campino und seine Jungs geben in diesen Wochen eine große Lateinamerika-Tour und die Botschaft hat „als Anerkennung für das, was die deutschen Freiwilligen hier im Land tun“ ein Treffen mit der Band organisiert.
Das ist zwar nicht ganz meine Musikrichtung aber es war trotzdem interessant um andere Freiwillige von ganz unterschiedlichen Organisationen zu treffen. Vor allem aber um neben dem Bier und den Brezeln ein Stück deutsche Kultur wiederzuerleben, als wir versuchten am Pförtner vorbeizukommen:
Buenos Aires, Deutsche Botschaft 15:45 Uhr:
„Hallo. Wollen sie meinen Pass sehen, oder kann ich so rein?“
„Worum geht es denn?“
„Naja, das Treffen mit den Toten Hosen.“
„Das ist um 16:oo Uhr“
„Und vorher kommen wir nicht rein?“
„16:00 Uhr. So steht das auf meiner Liste.“


Nach dem Treffen in der Botschaft ging es dann wieder zurück in die Villa. Im Jugendzentrum hab ich den Abend wieder mit den Jungendlichen und den Köchinnen verbracht. Meine liebste von den Damen ist R. Sie ist ca. 50 Jahre alt und 1.40 groß. Sie ist immer lebensfroh und ich habe sie noch nie ohne ein Grinsen auf dem Gesicht gesehen.
Letzte Woche habe ich mich mit ihr über private Dinge unterhalten und obwohl wir uns erst seit kurzem kennen, wurde sie sehr persönlich. Als sie mir erzählte, dass sie sich vor einem Jahr von ihrem Mann getrennt hat, fing sie herzlich an zu weinen. Ich hab die kleine Dame in den Arm genommen und nach 10 Minuten war sie wieder frivol wie immer.


Um 23:00 Uhr bin ich dann nach Hause gefahren, habe mit den Jungs über den Tag geredet und lag um Mitternacht im Bett. Das war sicher kein typischer Tag, aber er gibt einen Rundumeindruck von dem, was ich hier mache.


Ich habe an dich gedacht kleine Schwester
2 Peso-Schein mit "Para Maria, Campino"

Die Quilmes-Jungs mit Campino


Gruppenfoto



Der deutsche Botschafter Herr Günther Knies und Ich


Deutsche Kost






Montag, 2. November 2009

Mein erster Rundbrief

Dies ist mein erster Rundbrief, den ich nach den ersten drei Monaten verfasst habe. Ich berichte in dieser Zusammenfassung der ersten drei Monate, die hauptsächlich für meine Unterstützer und für meine Organisation gedacht ist über mein Projekt und die Situation in meiner Arbeit. Die nächsten Rundbriefe werden mit speziellen Themen mit Bezug auf Argentinien gefüllt sein.


Liebe Familie, Quilmes – Buenos Aires, November 09
Liebe Freunde,
Liebe Unterstützer,

alles ist anders gekommen, als ich mir das vorher gedacht habe. Nicht schlechter, nicht besser, einfach anders. Genauso, wie die Welt, in der ich jetzt lebe, absolut anders ist, als die vorher gekannte. Dies ist mein erster offizieller Rundbrief aus Argentinien. Die ersten drei Monate meines Freiwilligen Friedensdienstes sind also schon um.
Seit meinem Einzug in Quilmes – einem Stadtteil von Gran Buenos Aires – arbeite ich in der Villa Itatí, einem Armutsviertel. (Gesprochen: Wischa Itatí)
Als Freiwilliger versendet von der Evangelischen Kirche von Westfalen bin ich hier in Buenos Aires dem MEDH (Movimiento Ecumenico por los Derechos Humanos – Ökomenische Menschenrechtsbewegung) zugeteilt und arbeite in einem Projekt, das von dieser Bewegung begleitet wird.
Niemand weiß genau, wie viele Menschen in der Villa Itatí leben, aber man schätzt 15.000. Obwohl ich auch schon weit höhere Zahlen gehört habe.
Es gibt ein Netzwerk von sozialen Einrichtungen innerhalb der Villa, in denen wir Freiwilligen uns einbringen und engagieren. Jugendzentren, Nachhilfeorte, offene Angebote für die Kinder und Jugendlichen und Themenabende zum Beispiel über Drogen und Süchte.
Meine Hauptaufgabe ist die eines „Educador“ beziehungsweiße „Profesor“. Also Erzieher und Lehrer in einem der Nachhilfeorte. Jeden Morgen arbeite ich mit einer Gruppe von 25 Kindern zwischen 6 und 15 Jahren an ihren Hausaufgaben und Schularbeiten. Wir Frühstücken zusammen und verbringen den Rest der Zeit mit Spielen und Toben. Nachmittags gehen diese Kinder in die Schule und ich nach Hause. Ein paar Mal die Woche fahre ich dann abends wieder mit dem Bus in die Villa und verbringe den Abend in einem der Jugendzentren, um mit den Jungs zu spielen oder einfach nur zu reden. Ganz wichtig ist auch hier das gemeinsame Abendessen, da viele Jungs auch in das Zentrum kommen um eine tägliche warme Mahlzeit zu bekommen.
Die Kinder in meiner Gruppe sind wunderbar. Obwohl sie in kaum auszuhaltenden Umständen leben, sind sie unglaublich lebensfroh und ausgelassen. In den ersten Tagen war ich geschockt und ratlos, wie ich mit so einer Rasselbande klar kommen soll und hätte mir nie gedacht, dass diese Rüpel (die sie manchmal sind) mal auf mich hören würden. Jetzt freue ich mich jeden Tag auf die Kleinen, die mir schon vor der Tür um den Hals fallen und sofort planen, was wir gleich spielen werden.
„Aber erst mal wird ein bisschen gearbeitet!“ Ich setze mich dann mit einer Gruppe von vielleicht 3-6 Kindern an einen Tisch, gebe ihnen Aufgaben und helfe ihnen bei Schularbeiten. Durch diese Arbeit habe ich große Hochachtung vor den Menschen bekommen, die ihr ganzes Leben mit Kindern arbeiten, vor allem bei „schwierigen“ Kindern. Das Verhältnis zu meinen Kolleginnen ist sehr gut, obwohl während dem Vormittag kaum Zeit ist, sich zu unterhalten.
Ein sehr angenehmer Punkt unserer Arbeit ist, dass wir ziemlich frei darin sind, wie wir uns neben unseren Aufgaben weiter einbringen wollen. Mein Mitfreiwilliger gibt zum Beispiel seit dieser Woche Unterrichtsstunden zum Thema Umwelt und Natur. Ich habe gemerkt, dass die Kinder in meiner Gruppe, so wie wahrscheinlich alle Kinder der Villa, ein wahnsinnig großes Bedürfnis haben, in Ruhe mit einer Vertrauensperson zu sprechen um Ängste und schlimme Erlebnisse abzubauen. Deshalb mache ich jetzt jeden Tag mit einem anderen Kind einen kleinen Spaziergang und versuche mit ihnen über ernstere Themen zu sprechen, als das in der Gegenwart ihrer Freunde möglich ist.

Wenn ich zur Arbeit durch die Villa laufe, dann fühle ich mich immer noch sehr unwohl. Einige Male, sind mir ein paar äußerst zwielichtige Gestalten gefolgt. Erfahrungen, die den Weg zu meinem Projekt jeden Tag spannend machen. Ich versuche mich nicht zu auffällig zu kleiden und immer eine im Viertel bekannte Begleitperson dabei zu haben. In den Projekten fühle ich mich im Gegenteil dazu sehr sicher. Die Menschen, mit denen ich arbeite machen diese Arbeit seit vielen Jahren und haben den Kindern des Viertels sichere Orte gegeben, die auch von allen Bewohnern der Villa respektiert werden.
Durch die Eindrücke, die ich in diesem Viertel, meiner Arbeit und durch die Menschen gewonnen habe, bin ich denke ich sehr viel bescheidener geworden.
Organisiert werden die Projekte innerhalb der Villa von einer internationalen Gruppe von Ordensschwestern und Brüdern der Salezianer und der Franziskaner. Die Weise, auf die diese Gruppe lebt nennt sich „Inserción“ und bedeutet so viel wie „Einfügung“. Vor ein paar Jahren haben diese Ordensverbände erkannt, dass sie aus ihren Klöstern und Landgütern den Menschen nicht helfen können. Daraufhin haben sie alle ihre Immobilien und Ländereien verkauft und sind in verschiedenen Teilen des Landes direkt in die Elendsviertel gezogen, um dort zu leben und voll und ganz für die Menschen in Not da zu sein. Dies zu erleben hat mich schwer beeindruckt. Das Haus dieser Lebensgemeinschaft steht mitten in der Villa und ist rund um die Uhr Anlaufstelle für jeden, der Hilfe, Rat oder Begleitung braucht. Was mich daran so fasziniert ist die Entscheidung, keinen Unterschied mehr zwischen Freizeit und Beruf zu machen. Die Entscheidung sein eigenes Leben ganz und gar für andere Menschen einzusetzen und dafür auch schwierige Lebensumstände in Kauf zu nehmen.
Eine dieser Schwestern ist aus Kolumbien zuerst nach Italien ausgewandert und danach nach Buenos Aires gekommen. Sie hat jetzt seit vier Jahren keinen Menschen ihrer Familie gesehen, weil sie seitdem keine Pause von ihrer Arbeit genommen hat. Diese Frauen kümmern sich rührend um uns Freiwillige und sind bei jedem Seelenschmerz oder Problem für uns da. Wenn wir mal bei ihnen im Haus zum Maté trinken vorbeischauen, haben sie immer Zeit um über die Sachen, die uns bewegen, zu sprechen. Sei es die Arbeit oder ein privates Thema.
Nach den ersten drei Monaten fühle ich mich in der Umgebung meiner Arbeit und meiner Projekte akzeptiert und wirklich gut aufgenommen.

Wir Freiwilligen wohnen außerhalb der Villa etwa 10 Busminuten in einem sehr ruhigen und angenehmen Viertel. Zu dritt bewohnen wir hier ein kleines Reihenhäuschen, dass wir uns langsam aber stetig gemütlich machen. Es ist für mich schwierig zu verstehen, wie so große Armut direkt neben großem Reichtum existieren kann. Überraschend war für mich aber auch, wir schnell man sich an solche Ungleichheiten gewöhnt. Wenn vor unserem Haus jetzt eine Pferdekutsche hält, die „Cartoneros“ von ihrem Wagen springen und unseren Hausmüll mitnehmen, auf der Suche nach brauchbaren Dingen, ist das für mich schon total normal geworden. Ebenso war ich anfangs stets geschockt, in welchen Massen die doch deutlich runtergekommenen Straßenhunde durch die Gegend streifen. Jetzt gehören sie für mich einfach zum Stadtbild dazu.

Wir bereiten uns langsam auf den Sommer vor und erleben schon die ersten Hitzetage mit Siesta und warmen Frühlingsabenden.
Ich hoffe, euch allen geht es gut und ich konnte euch einen aufschlussreichen Einblick in meine neuen Lebensumstände geben.

Liebe Grüße aus Quilmes – Buenos Aires

Johannes